Vorwort
Schon seit früher Kindheit zählte für mich das Autofahren zu den faszinierendsten und erotischsten Dingen überhaupt. Um dieser Sehnsucht auch dauerhaft nachkommen zu können, kam für mich eigentlich nur das Taxifahren infrage. Trotz aller Warnungen meines Vaters!
Hinzu kam noch das unbändige Verlangen, außergewöhnliche Dinge erleben zu wollen. Und beides konnte ich jetzt doch ganz hervorragend miteinander verbinden.
Was ich während dieser Tätigkeit als Taxifahrer so alles erleben konnte, hat mich in der Rückschau, noch Jahrzehnte später, so manches Mal fast ungläubig staunen lassen. Hätte ich es alles nicht selbst erlebt, so würde ich wohl meine Schwierigkeiten haben, dies alles glauben zu können
Vorliegendes Buch umfasst zwei wesentliche Abschnitte: Im ersten Teil beschreibe ich meine frühen Taxierlebnisse in der kleinen Stadt Wilhelmshaven.
Unterbrochen wurden diese nur durch die Einberufung zur Bundeswehr. Aber auch hier riss der Faden der Extremerlebnisse nicht ab. Ganz im Gegenteil!
Um auch meiner Leidenschaft weiterhin nachgehen zu können, beschreibe ich im zweiten Teil, wie jene verheißungsvolle Anfangszeit nun in der Großstadt Hamburg fortgesetzt werden konnte.
Fast jeden Tag diese aufregenden Dinge zu erleben, die mir dort begegnet sind, kam förmlich einem Dauertrip gleich. Vielleicht habe ich aber auch Situationen solcher Art angezogen. Jedenfalls verfolgten sie mich immer auf Schritt und Tritt.
Ohne Netz und doppelten Boden und mit vollem Risiko zu leben, fand ich schon von jeher ungleich spannender, als die langweilige Vorgehensweise, immer alles abzusichern und ständig Garantien einzufordern. Immer habe ich alles auf Rot gesetzt und mir für mein Leben folgendes Motto zu eigen gemacht:
Lebe schnell und stirb’ früh …
James Dean, und später auch Rainer Werner Fassbinder, haben schon nach diesem Leitsatz gelebt, und sich auch strikt daran gehalten. Beide haben sich permanent auf der äußeren Überholspur bewegt, und früh die Bühne der Erde wieder verlassen.
In dieser Form hat es bei mir nicht ganz geklappt, denn ich musste den Umweg über eine Krankheit nehmen. Durch einen Gehirntumor und fünfzehn Folge-Operationen bin ich ohne Vorwarnung jäh aus meinem damaligen Leben herauskatapultiert worden. Aber auch hier sind mir viele, wenn auch eher leidvolle, Erfahrungen beschert worden.
Geschichten schreiben ist eine Art, sich das Vergangene vom Halse zu schaffen.
Johann Wolfgang von Goethe
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Ich sag’ nachher Bescheid!
Eine Episode will ich Ihnen nicht vorenthalten, da ich auch nach all’ den Jahren immer wieder schmunzeln muss, wenn ich daran denke:
Es ereignete sich in einer kalten Winternacht. Irgendwo in der Stadt stieg kurz nach Mitternacht ein Mann bei mir ein. Obwohl er schon einiges getrunken zu haben schien, machte er auf mich einen ganz sympathischen Eindruck. Er wurde begleitet von einem großen, schwarzen Schäferhund. Auch dieser wirkte auf mich recht gutwillig – zumindest in keiner Weise bedrohlich.
Der Mann setzte sich also zu mir nach vorn und nahm den Hund zwischen seine Beine. Dann sagte er, er müsse nach Ahrensburg, was auch eine gute Tour zu werden versprach. Er drückte mir fünfzig Mark in die Hand, was erst recht von großzügiger Entlohnung sprach, denn eigentlich wäre er mit knapp über dreißig Mark ganz gut hingekommen.
Seine letzten Worte waren noch, ich solle erstmal bis Ahrensburg fahren und ihm dann Bescheid sagen. Er würde mir anschließend den weiteren Weg zeigen. Danach schlief er ein.
Ich fuhr also in Richtung Ahrensburg. Der Verkehr hielt sich um diese Zeit sehr in Grenzen, doch der anfangs leichte Schneefall nahm jetzt immer mehr zu, und die Fahrt wurde ziemlich beschwerlich. Die vielen herunterfallenden Flocken spiegelten sich im Scheinwerferlicht und blendeten zunehmend die Sicht.
Nach etwa zwanzig Minuten waren wir in Ahrensburg angekommen und kurz vor dem Ortsschild weckte ich ihn. Genauer gesagt, ich unternahm den Versuch! Offenbar hatte der Mann einen beneidenswert festen Schlaf und auch nach vielen Versuchen wachte er nicht auf. Ich fuhr jetzt rechts ’ran und hielt am Straßenrand an. Ich erhöhte die Lautstärke meiner Weckrufe, doch auch diesmal tat sich nichts. Dann begann ich, erst noch vorsichtig, ihm an die Schulter zu fassen, um ihn durch Schütteln wach zu bekommen. Dabei musste ich jedoch registrieren, dass mich jetzt der Hund zwar irritiert, aber höchst wachsam ansah. Einen Augenblick lang überlegte ich, was ich tun könne. Dann entschloss ich mich auszusteigen, um zu versuchen, meinen Weckversuchen vielleicht mehr Erfolg zu verschaffen, indem ich die Beifahrertür öffnete, um ihn jetzt direkt zu schütteln.
Plötzlich besann sich der Schäferhund seiner Pflicht, knurrte mich warnend an, fletschte die Zähne und signalisierte mir damit, die Tür umgehend wieder zu schließen. Verdutzt und eingeschüchtert unterließ ich jegliche weiteren Versuche und bewegte mich zurück in Richtung Fahrertür, um meinen ursprünglichen Platz wieder einzunehmen. Doch auch dagegen legte der Hund jetzt ganz entschieden sein Veto ein!
Nun wurde mir erst klar, dass ich mich des Nachts in der Einöde, bei starkem Schneegestöber und wieder im dünnen Hemd, natürlich ohne Unterhemd, mutterseelenallein und vor Kälte klappernd, wiederfand.
Da war guter Rat praktisch unbezahlbar! Ich konnte noch nicht einmal über Funk Hilfe anfordern, denn mit dem Hund war nun überhaupt nicht mehr zu verhandeln.
Auf der Straße bewegte sich ebenfalls kaum noch etwas, sodass ich auch kein vorbeifahrendes Auto anhalten konnte. Jedoch nach etwa zwanzig Minuten fuhr langsam ein Polizeiwagen vorbei. Es gelang mir, diesen auf mich aufmerksam zu machen, woraufhin er anhielt.
Den Beamten erzählte ich nun die Geschichte, und teils amüsiert, teils ungläubig beäugten sie vorsichtig das Wageninnere. Sie konnten sich davon überzeugen, dass ich ihnen die Wahrheit erzählt hatte und wir beratschlagten gemeinsam, was man tun könnte.
Einer der Beamten, selbst Hundebesitzer, hatte immer Leckerlis in der Tasche und konnte damit den, sich eigentlich kompromisslos gebenden, Hund bestechen. Dann nahm er die Leine und führte damit den Hund aus dem Wagen, der sich willig für weitere Leckerlis entschied.
Der Besitzer schlief noch immer tief und fest. Auch der ganze Tumult konnte ihn nicht seinen, wahrscheinlich beneidenswerten, Träumen entreißen.
Energisch schüttelten ihn jetzt die Beamten und tatsächlich öffnete er endlich seine Augen. Auf seinem Gesicht war nun ein wohliges Lächeln zu sehen.
Zurück in dieser Welt, mokierte er noch, dass wir ihn doch hätten wecken können.
Dann beschloss er, hier auszusteigen und den Weg bis zu seinem Haus mit einem ausgedehnten Nachtspaziergang zu verbinden.
Anschließend habe ich erwogen, doch meine Angewohnheit, auch im Winter lediglich ein dünnes Hemd zu tragen, jetzt ernsthaft zu überdenken.